“In den Seilen” heißt: gehalten sein!
Handwerkergottesdienst am 22.05.2022 in der St.-Marien-Kirche Kamenz
Der festliche Einzug unter Orgelklängen zum Ökumenischen Handwerkergottesdienst in der Kamenzer St. Marien-Kirche gestaltete sich mit den Fahnen von 10 Handwerksinnungen bereits als erster Höhepunkt.
Bereits vor der Kirche waren die Ankommenden vom Posaunenchor unter Leitung von KMD Michael Pöche empfangen worden. Pfarrer Michael Gärtner konnte neben den über hundert Gottesdienstteilnehmenden als Ehrengäste den Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz und den Vizepräsidenten der Handwerkskammer Dresden, Reiner Schubert, begrüßen.
Zum Predigttext des Rogate-Sonntags zeigte Michael Mütze (Theologe und Chef eines Alpintechnischen Höhendienstes) eindrücklich, was es heißt, von Gott gehalten zu sein: Kirchner Rico Rietzschel ließ sich unter der Decke im Altarraum ins Seil fallen … und war gut gesichert!
Mittels eines Seils wurde dann auch im Fürbittgebet die Verbindung der Gemeinde untereinander verdeutlicht. Als Geschäftsführer von Handwerk und Kirche konnte ich mich freuen, dass solch ein festlicher Gottesdienst mit Begegnungsmöglichkeit wieder gefeiert werden konnte.
Die Gäste nahmen dann auch die Einladung zu Kaffee, Kuchen und den echten „Kamenzern“ (Würstchen) dankend an! Der Kamenzer Kirchgemeinde als Gastgeberin, allen ehren- und hauptamtlich Beteiligten sei herzlich gedankt.
Text und Fotos: Michael Seimer
Grußwort des Kamenzer Oberbürgermeisters
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Pfarrer Gärtner,
sehr geehrter Herr Pfarrer Peukert, liebe Festgemeinde,
zunächst bedanke ich mich für die Einladung.
In dem Handwerker-Choral, den wir heute gesungen haben, sticht mir eine Textzeile ins Auge und sie spricht mich besonders an „Die Nähe zwischen Menschen macht die Gemeinde aus.“ Gemeinschaft und das auf sich zu bewegen, um den anderen zu spüren, um auch Nähe selbst zuzulassen, dies gehört zum Menschsein, völlig unabhängig davon, ob man Handwerker ist oder nicht.
Herr Pfarrer Gärtner hatte ja einen Bogen gezogen aus biblischer Sicht, wie viele Handwerker bzw. Handwerksberufe schon vor tausenden Jahren eine Rolle gespielt haben. Wenngleich wir im heutigen Verständnis bei einigen von handwerksnahen Dienstleistungen sprechen würden. Aber darum geht es mir heute nicht.
Vielmehr bewegen mich die Bilder, die aus Kriegsgebieten, jetzt aus der Ukraine, auf uns einwirken. Ich meine damit nicht die Anblicke von Toten und Verletzten allein. Sondern ich stelle mir die Frage, wie viel Mühe es gemacht hat, die Häuser, Brücken und Straßen zu errichten, wie viel Schweiß und Arbeit da hineingesteckt wurde, die jetzt zerstört in Schutt und Asche gelegt uns das ganze Ausmaß der Tragödie vor Augen führen. Auch da bin ich ganz schnell beim Bild des Handwerkers.
Und es stellt sich schon die Frage, welchen brauchen wir am ehesten heute.
Braucht es nicht vielleicht einen kräftigen Schmied, der mit festen Hammerschlägen Schwerter zu Pflugscharen umschmiedet? Braucht es nicht vielleicht den Baumeister, der morsche Fundamente, die nicht mehr tragen, die auch nichts zusammenhalten können, erneuert? Braucht es nicht vielleicht Baumeister für den Frieden?
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir leben in „komischen“, in „seltsamen“ Zeiten. Wir erleben, dass sich ein Bundespräsident entschuldigt für das, was er in früherer Zeit gedacht und für uns vertreten hat. Fragen wir uns, für was entschuldigt er sich eigentlich?
Für seine Bemühungen für Frieden? Für seinen Einsatz und seine Bestrebungen, für das Ende eines Bürgerkrieges im Osten der Ukraine einzutreten? Für die Versuche, Kompromisse für eine Verständigung zu finden?
Aber es geht noch weiter. Auch unser Bundeskanzler soll sich entschuldigen und gegenüber jenen, die ein schärferes Vorgehen für richtig halten, immer wieder neu rechtfertigen. Er soll und muss sich entschuldigen für sein Bemühen um Vorsicht, damit nicht ganz Europa in Brand gerät, für sein Abwägen der Folgen eines unüberlegten Handelns von anderen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn wir dies nicht sehen wollen oder können, dann haben wir alle Seile der Versöhnung zerschnitten. Dann bleibt nur noch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Und es bleibt, sehr geehrte Damen und Herren, kein Stein auf dem anderen.