Himmelsstürmer

Es ist schon ein komisches Gefühl wenn man genau weiß zu spät zu kommen. Dieses Gefühl wurden wir auf unserer Anreise zur Hochtourenwoche in die Schweiz nicht los. Wochenlang stabiles Hochdruckwetter, aber nun sollte es kippen und wie, mit Starkregen und viel Neuschnee. So war es dann auch, bis zu unserem Quartier schien die Sonne, aber am nächsten Morgen war der Himmel verhangen und Niederschlag. Nach dem Frühstück schien sich eine Regenlücke aufzutun. Also schnell die Wanderschuhe an und mit Regenjacke im Gepäck auf zu einer Einlaufrunde. Vom Haus wollten wir uns nicht allzu weit entfernen, aber es waren uns gut zwei Stunden vergönnt, plus eine halbe im Nieselregen. Von da an war „Schluss mit lustig“, die Regenfront machte ernst.

So hatten wir ausgiebig Zeit für unsere Bibelgespräche. Es standen Texte an, in denen Menschen den Himmel und damit Gott bestürmen. Die einen wollen mit ihrem Turmbau Gott nahe kommen und zeigen was sie drauf haben (1.Mo. 11). Jakob, der sich den Segen seines Vaters ergaunert hatte träumt in dessen Verarbeitung von einer Leiter die bis zu Gott führt und erfährt dabei was Gott von seinem Handeln hält (1.Mo.28). Und dann hatten wir auch einen Text wo zwei Freunde von Jesus das „Zuspätkommen“ gern ausschließen wollen. Darum wenden sie sich an Jesus und bitten ihn „Reserviere uns doch mal zwei Plätze im Himmelreich. Am liebsten hätten wir die ganz nah bei dir – links und rechts neben dir wäre Klasse“. Jesus musste sie jedoch etwas bremsen, denn die Eintrittskarten für den Himmel, gibt es nur an der „Abendkasse“ und nicht im Vorverkauf. (Mk.10) Das Gleichnis vom „liebenden Vater“ (Lk.15) hingegen spricht davon, dass die Himmeltür zu jederzeit und für jedermann offen steht. Das heißt, der Himmelssturm lohnt sich auf alle Fälle.

Nach drei Tagen hatte sich der Regen gelegt. Dafür war jetzt der Neuschnee unser Problem, denn dieser verdeckt die Gletscherspalten und macht somit die tragbaren Schneebrücken unsichtbar. Ein Telefonat mit dem Hüttenwirt unserer „Wunsch-Berghütte” brachte Hilfe. Er erzählte, Bergführer steigen am nächsten Tag zu ihn auf. Das war unsere Chance, indem wir deren Spur folgen. Dennoch wurde der Aufstieg tags darauf kein Spaziergang, denn teilweise gingen wir im Whiteout und einige Schneebrücken trugen am Nachmittag schon nicht mehr. Es mussten also mühsam neue aufgespürt werden. Am Abend dankten wir unseren Spurlegern und verhandelten mit ihnen auch für den Aufstieg am kommenden Morgen. Schnell wurden wir uns einig, wenn wir eine Stunde später aufsteigen kommen wir uns in den ausgesetzten und vereisten Passagen nicht ins Gehege. So erlebten wir es dann auch und alle konnten ein wunderschönes Sonnenaufgangspanorama auf dem Oberaarhorn genießen. Beim Abstieg über den diesmal sichtbaren Gletscher erschreckte uns ein Felssturz. Glücklicherweise hatten wir genügend Abstand und blieben von dieser Naturgewalt verschont. Tonnenschwere Felsbrocken waren zerborsten und erst nach einer langen Sturz- und Rollphase zum Erliegen gekommen.

Am letzten Tag nahmen wir den Aletsch-Klettersteig unter unsere Hände und Füße, einen „Eisenweg“ von vier Stunden rund um den Gibidum Stausee.

Den Himmel erlebten wir in dieser Woche ganz verschieden: Anfangs schwarz-grau verhangen und triefend nass, an den „Übergangstagen“ mit einem mystischen Wolkenspiel und Null-Sicht. Die letzten beiden Tage stimmten uns versöhnlich mit reichlich Sonnenschein. Das ist ein Spiegelbild unseres Lebens, wo es ebenfalls wichtig ist, dass das Ende zufriedenstellend ist.

Text H. Günther / Fotos: Teilnehmermix