Seemannsgarn

oder Schiemannsgarn war eine wenig anspruchsvolle Tätigkeit auf Segelbooten. Altes Tauwerk wird für Reparaturen an der Takelage genutzt. Dabei konnte man sich trefflich über erlebte Geschichten auf den Weltmeeren unterhalten, inklusive übertreiben. Darum steht das Wort Seemannsgarn heute für „zweifelhafte Erzählungen“. Da es in der Bibel für unser Verständnis auch seltsame und schier „unglaubliche“ Geschichten gibt, hatten wir auf unserer Segelwoche dieses Thema gewählt.

Gerissenes Hauptsegel zur Reparatur ausbooten

Von unseren Bibelgesprächen vor dem täglichen Segeltörn zwei Beispiele: Gleich auf den ersten Seiten der Bibel lesen wir den Satz: „Es ist nicht gut dass der Mensch allein sei“. Gott löst das Problem, indem er aus einer Rippe des Urvaters Adam die Eva, (s)eine Frau bastelt. Heute lächeln wir nur müde darüber. Aber der Text ist aus keiner Biologie- oder Anatomievorlesung, sondern er will uns verdeutlichen wie wichtig Beziehungen für unser Leben sind, denn nur so gelangen wir zur Korrektur und „weiterspinnenden“ neuen Gedanken. Noch ein Zacken schärfer ist die Geschichte mit einem sprechenden Esel (4.Mose 22,21-35). Ein Mann hat eine schwere Entscheidung zu treffen und er weiß nicht wie er sich entscheiden soll. Schließlich macht er sich unentschlossen auf einen Weg, welcher Gott nicht gefällt. Ob es Gottes Handeln ist oder die Unkonzentriertheit des Reiters, der Esel wird störrisch, das ärgert den Mann und er schlägt und verflucht sein sonst so treues Reittier. Da kann der Esel auf einmal reden: „Siehst du nicht, du rennst gerade ins Verderben. Aber du hast Glück, ich habe es verhindert. Darum blieb ich stehen.“ Da lenkt der Mann ein. Für uns bleibt von dieser fabelhaften Geschichte das Nachdenken: „Wer von den Beiden ist eigentlich der Esel?“ Hier zeigt sich, Gott hat sogar Humor, wenn es darum geht uns auf den rechten Weg zu führen.

Und nun zu unseren Segelerlebnissen: Am Samstagmorgen wurde mit Axe dem Skipper besprochen was für Ziele bei der vorhandenen Wetterlage möglich sind. Wir kamen nicht sehr weit mit der Planung, denn Axe ist ein wortkarger Mann. Ich war froh wenigstens das Tagesziel Terschelling erfahren zu haben. Also geht es zu den Inseln im Wattenmeer. Als Maat, die Person die uns beim Segeln anleitet, haben wir Manu, eine Frau mit klaren Ansagen. Da sie nur englisch spricht, daran müssen wir uns erst gewöhnen. Trotzdem sind bald alle Segel gesetzt und wir sind gut mit der Josina Elisabeth unterwegs. Terschelling ist am Nachmittag erreicht. Weil die Insel einen schönen Strand hat, geht es nach dem Abendessen zur Sandsack-Olympiade. Die Säcke müssen gefüllt, gestapelt, geworfen, gehalten und transportiert werden, insgesamt sieben Disziplinen. Wir haben viel Spaß und Ehrgeiz dabei. Beim Abendgebet sitzen wir auf einer kleinen Anhöhe mit Blick auf Leuchtturm, Hafen und Wattenmeer.          

Am Tag drei segeln wir zügig mit prall gefüllten Segeln bei Windstärke 6 „am Wind“. Unser Kahn hat eine tolle Schräglage. Ich sitze mit Moritz an Deck und freue mich über den schönen Törn. Da sagt er plötzlich, „Opa, schau mal, das Segel hat ein Loch“. Ich frage gelassen: „Wo denn?“ Er: „Na dort oben“. Ich sehe einen kleinen lichten Fleck und ahne nichts Gutes. Bevor ich noch ein Wort herausbekommen habe ist das Segel von oben bis unten gerissen und flattert wild in Fetzen. Wir sind entsetzt, was jetzt? Doch da ruft auch schon wieder die Arbeit. Der Skipper nimmt das Schiff aus dem Wind. Wir müssen das Ankern bewerkstelligen, damit das kaputte Segel geborgen und vertäut werden kann. Dann informiert uns der Skipper wie es den „Rest“ der Woche weitergehen wird. „Das Segel muss zunächst ans Festland. Danach können wir mit den verbliebenen Segeln weiter gut unterwegs sein. Die Windstärke wird zunehmen, da können wir sowieso nicht alle Segel setzen!“ Sprach´s und gab die Anweisung zum Anker lichten und Segel setzen.  

So kam es dann auch. Wir hatten noch spannende Segeltage mit bis zu Windstärke 8. Dabei segelten wir wieder ins Wattenmeer und auch noch ins Ijsselmeer. Dort legten wir einen Stopp ein, um vom Schiff aus zu Baden. Von der Bordwand aus, war „Arschbomben- und Synchron”-Springen angesagt. Über die Seilleiter ging es zurück auf Deck. Nach einer Stunde hatten wir uns „ausgetobt“ und segelten unter günstigem Wind bis in den Hafen. Ohne „seemannsgarn-mäßig“ zu übertreiben: Es war windtechnisch die beste Woche der vielen Segelrüstzeiten die wir schon bestritten haben. 

Text: H. Günther /  Fotos: Teilnehmer-Mix